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Wayllabamba - Pacaymayu

Samstag, 16.Juni 2012

Camino Inca, Etappe 2

Nach einem kräftigen Frühstück starten wir gegen sieben Uhr. Das Wetter ist perfekt, die Luft allerdings noch sehr kühl. So sind wir froh, dass es gleich hinter Wayllabamaba streng bergan geht. Wir passieren Tres Piedras und den „Märchenwald“. Von den Bäumen mit moosbedeckten Stämmen hängen Lianen herunter, am Ufer eines kleinen Baches wachsen Farne.

Bei unseren Wanderungen ist folgendes zur Gewohnheit geworden: wenn jemand hinter sich Träger kommen sieht oder hört, genügt ein kurzes „Achtung, Träger/Porter“, und alle machen einen Schritt zur Seite, um die sich meist im Laufschritt nähernden Träger mit ihren Riesenbündeln auf dem Rücken passieren zu lassen. Irgendwann, wenn die kleinen, stämmigen Peruaner im Schatten sitzen und Cocablätter kauend nach Luft ringen, holen wir sie abermals ein. Das Spiel wiederholt sich mehrfach auf jeder Etappe. Unsere Gruppe macht nach jeder Stunde eine kurze Rast und findet sich zusammen. Verschnaufen, Trinken, Ausschau halten. Marco, unserem Guide, geht es heute nicht besonders gut, er ist erkältet.

An einem der Rastplätze treffen wir einen Mann mittleren Alters, der gerade von einem wichtigen Geschäft zurückkommt. Er ist Holländer, sieht aus wie Howard Carpendale in jungen Jahren und ist, wie sich später herausstellt, mit Sohn und Tochter unterwegs. Über deren allzu bunte Hosen hatten wir eine despektierliche Bemerkung gemacht, die Howard offenbar verstanden hatte. Er nimmt es aber mit Humor, und so kommen wir ins Gespräch. Auch ihn hat Montezumas Rache ereilt, was auf dem Trail natürlich nicht besonders vorteilhaft ist.

Beim Aufbruch scherzt er, dass er uns gleich überholen und lange vor uns am Ziel sein werde. Wenig später allerdings überholen wir ihn, und er meint, dass er bergab dann aber wirklich der Schnellere sei. Wir treffen ihn und seine beiden erwachsenen Kinder noch des Öfteren, und jedesmal liefern wir uns ein erheiterndes Wortgefecht.

Hinter dem Märchenwald kommen wir in freies Gelände. Bald ist der Pass Abra Warmiwañusca zu sehen. Etwa vier Stunden nach unserem Aufbruch in Wayllabamba stehen wir auf dem Abra Warmiwañusca (4198 m), dem Pass der toten Frau. Gut 1200 Höhenmeter in vier Stunden sind kein schlechter Schnitt. Vom Pass bietet sich ein fantastischer Blick zurück ins Tal des Río Llullucha, aus dem wir gekommen sind. Über dem Tal thront der Bergriese Nevado Huayanay (um 5400 m). Auf der anderen Seite des Passes blickt man ins Tal des Río Pacaymayu.

Nach einer längeren Verschnaufpause machen wir uns an den Weiterweg nach Pacaymayu. Die mitgeführten Wanderstöcke erleichtern den Abstieg über die zum Teil kniehohen Stufen. Die Träger mit ihrem schweren Gepäck nehmen die Absätze im Sprung, vermutlich haben sie alle nach ein paar Jahren kaputte Gelenke. Aber für viele ist es der einzige Job, den sie hier bekommen können.

Den Wegesrand säumen die verschiedensten Orchideen, Bromelien und Sukkulenten. Gut zwei Stunden nach dem Verlassen des Passes erreichen wir das Camp Pacaymayu. Wie am Vortag steht alles schon bereit. Vom Camp aus kann man bereits den Weg zum nächsten Pass, den Abra Runkuraqay, sehen. Am späten Nachmittag ziehen dicke Wolken vom Tal herauf und sorgen für eine mystische Stimmung.

Vor dem Abendessen stellt uns Marco die Menschen vor, die dafür sorgen, dass es uns täglich so gut geht: unsere Träger und Köche. Die meisten Träger sind noch jung, kaum älter als 30, doch der älteste von ihnen ist Mitte 50. Hut ab.

Nach dem Abendmenü überrascht uns der Koch Eduardo wiederum aufs Neue: wir bekommen eine waschechte Torte serviert. Kein Törtchen, nein, eine ausgewachsene Torte, mit Zuckerguss und allem Drum und Dran. Von der Tatsache abgesehen, dass die Träger diesen Luxus erst einmal bis hierher hatten schleppen müssen: wie bekommt man unter so einfachen Bedingungen eine Torte gebacken? Wir sind beeindruckt und gerührt.


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