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Arequipa

Donnerstag, 7.Juni 2012

Arequipa, die Weiße Stadt

Arequipa ist mit etwa einer dreiviertelmillion Einwohnern das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des südlichen Perus. Für den Beinamen Weiße Stadt gibt es zwei Deutungen. Nach der einen rührt der Name von dem weißen Silar-Gestein vulkanischen Ursprungs her, das in vielen historischen Gebäuden im Zentrum der Stadt verbaut wurde. Die andere Deutung bezieht sich auf die helle Hautfarbe der einstmals im Stadtzentrum lebenden spanischstämmigen Bevölkerung. Der indigenen Urbevölkerung war es verboten, sich dort anzusiedeln.

Arequipa liegt auf über 2300 Metern Höhe, die Nähe der Stadt zur Pazifikküste beschert ein ganzjährig mildes und sonniges Klima. Beherrscht wird das Bild der Stadt von den allgegenwärtigen Vulkanen Misti (5822 m), Nevado Chachani (6057 m) und Pichu Pichu (5665 m). Der kegelförmige Misti ist das Wahrzeichen Arequipas und findet sich im Stadtwappen wieder.

Evelyn und ich sind schon früh aus den Federn, es ist wunderbares Wetter. Bis zum Frühstück ist noch ein wenig Zeit, so unternehmen wir einen kurzen Spaziergang. Zum ersten Mal sehen wir zwischen den Häusern den imposanten Kegel des Misti. Als wir zum Hotel zurückkommen, steht dort eine Frau mittleren Alters. Auf der steinernen Treppe vor dem Hotel hat sie einige Bilder ausgebreitet, mit folkloristischen Motiven im weitesten Sinne. Aber von einer Art, die uns beiden sofort gefällt. Juanita sei ihr Name, erzählt uns die Frau, und dass ihre Tochter die Bilder gemalt habe. Wir entscheiden uns für ein Aquarell mit einer Stadtansicht, im Hintergrund Vulkanberge, im Vordergrund eine typisch südamerikanische Kirche mit einer bunten Menschenmenge. Das Bild wirkt authentisch.

Nach dem Frühstück geht es auf Stadtrundfahrt. Unsere lokale Guide ist erneut eine junge peruanische Schönheit, mit großem Strohhut gegen die intensive Sonnenstrahlung. Zuerst bringt uns der Bus hinauf zum Mirador de Chilina, einem Aussichtspunkt am nordöstlichen Stadtrand von Arequipa. Zur Linken liegt der Chachani, zur Rechten der Misti, zwischen den beiden Vulkanen erstreckt sich ein grünes, fruchtbares Tal bis an den Rand von Arequipa. Ganz rechts und etwas weiter entfernt der Pichu Pichu. Ein traumhaftes Bild.

Danach besuchen wir den Mirador de Yanahuara. Der von Palmen gesäumte Platz liegt auf einem Hügel mitten in der Stadt. Hier befindet sich auch die Iglesia San Juan Bautista de Yanahuara. Auf dem Platz befinden sich viele Stände, an denen folkloristische Artikel verkauft werden. Auf dem Platz treffe ich auch Maria, die sich in ihrem farbenfrohen Gewand bereitwillig fotografieren lässt.

Unsere Gruppe steht gerade dicht beisammen und wir lauschen den Ausführungen des Guides, als der Boden unter unseren Füßen vibriert, so als führe ein Schwerlastzug an uns vorbei. Eine an der Hausmauer hängende Laterne schaukelt sacht vor sich hin. Was wir da gerade erleben, ist ein leichtes Erdbeben, wie es in Arequipa fast täglich verzeichnet wird. Diesmal war es allerdings stärker und länger als gewöhnlich, aber keines der schweren Beben, von denen die Stadt schon oft heimgesucht worden ist. Später werden wir erfahren:

Ein Erdbeben der Stärke 6,1 auf der Richterskala hat heute Vormittag um 11:03 Uhr Ortszeit die südperuanische Region Arequipa erschüttert. Wie aus dem jüngsten Erdbebenreport des peruanischen Institutes für Geophysik hervorgeht, lag das Epizentrum 19 Kilometer südwestlich von Chuquibamba (Provinz Condesuyo) in einer Tiefe von 110 Kilometern.

Wir besuchen die Iglesia de la Compañía, bevor wir zum zentralen Platz Arequipas kommen. Die Plaza de Armas wird beherrscht von der mächtigen Basílica Catedral de Arequipa. Auf dem Platz laufen die Vorbereitungen für die am Abend stattfindende Prozession Corpus Christi (Fronleichnam) auf Hochtouren. Kinder und Jugendliche präparieren auf dem Pflaster zahllose farbenfrohe Bilder mit biblischen Motiven.

Zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Arequipas zählt das Monasterio de Santa Catalina. Die Klosteranlage ist eine autarke Stadt in der Stadt, mit einer Grundfläche von etwa zwei Hektar. Auffallend an dem erst 1970 für die Allgemeinheit geöffneten Kloster ist seine maurisch geprägte Architektur. Rote, blaue und weiße Fassaden prägen das Bild der Klosteranlage. Geführt werden wir diesmal von einer anderen Peruanerin, wieder jung, wieder hübsch und wieder sehr gut Deutsch sprechend.

Nach dem Mittagessen besuchen wir den Mercado San Camilo. In der riesigen, überdachten Markthalle kann man so ziemlich alles kaufen, was man zum täglichen Leben braucht – oder auch nicht. Exotische Obst- und Gemüsesorten, unzählige Arten von Kartoffeln, Fleisch, Fisch, Hühnerfüße (!), Gewürze..., alles wird hier angeboten und findet auch Abnehmer. Wir besorgen uns auf Tines Rat hin einen Beutel mit Cocablättern – das Kauen derselben soll die Symptome der Höhenkrankheit lindern.

Am Abend kehren wir nochmals zur Plaza de Armas zurück und beobachten ein wenig die Fronleichnams-Feierlichkeiten. Faszinierend, zugleich aber auch fremd erscheint uns diesseitigen Europäern eine Welt, die das Paradies im Jenseits verspricht.


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