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Puno - Los Uros - Llachón

Montag, 11.Juni 2012

Mit dem Boot von Puno über die Schwimmenden Inseln der Uros bis nach Llachón

Die Sauerstoffflaschen in der Hotellobby, gedacht als Erste-Hilfe-Maßnahme für Menschen, die Probleme mit der dünnen Luft haben, erinnern daran, dass wir uns etwa 3800 Meter über dem Meeresspiegel befinden. Wir begeben uns zur Plaza de Armas, wo unser Bus wartet. Über den zentralen Platz ziehen kleine Gruppen von Studenten, Puno ist Universitätsstadt.

Der Bus bringt uns zum Hafen, wir verabschieden uns von den beiden Fahrern, die uns über so viele Kilometer sicher bis hierher gebracht haben. In zwei Tagen wird uns ein anderer Bus abholen. Bevor wir das Boot besteigen, das uns zu den Uros und nach Llachón befördern wird, kaufen wir ein paar kleine Geschenke für unsere Gastfamilien in Llachón: Reis, Nudeln, Speiseöl. Für die Kinder haben wir vorsorglich Schreibhefte und Buntstifte aus Deutschland mitgebracht.

Der Titicaca-See ist mit 3810 m ü. NN der höchstgelegene kommerziell schiffbare See der Erde und mit einer Fläche von knapp 8300 Quadratkilometern fast 16 mal so groß wie der Bodensee. Wir verlassen den Hafen von Puno, vorbei an dem mondänen Hotel Libertador auf der kleinen Insel Esteves, fahren durch den Schilfgürtel Totoral. Bald kommen die ersten schwimmenden Inseln der Uros in Sicht.

Das stolze Volk der Uros existiert nicht mehr. Der letzte echte Uro starb gegen Ende der 1950er Jahre; die heute auf den schwimmenden Inseln lebenden Menschen sind Mestizen, Nachkommen der Quechua und Aymara. Die dunkelhäutigen Uros konnten von den Inkas nie unterworfen werden, da sie sich bei Gefahr auf ihre schwimmenden Inseln zurückziehen konnten.

Die heutigen Nachfahren der Uros leben fast ausschließlich vom Tourismus. Wir werden auf der Isla Wiñay Totora mit Gesängen herzlich empfangen. Wir erfahren, wie die schwimmenden Inseln aus dem Totora-Schilf gebaut und instandgehalten werden, wir kosten die jungen, süß schmeckenden Triebe des Schilfs, wir bestaunen die aus Totora-Schilf gebauten Boote (Balsas), wir kaufen handgewebte Wandbehänge mit indigenen Motiven. Wir erfahren auf diese Weise einiges über das Leben der nicht mehr existenten Uros, und doch hat es etwas von Disney-Land an sich.

Weiter geht es in Richtung Llachón. Es ist prächtiges Wetter, aber die Luft ist empfindlich kühl. Imposante Wolkenformationen zieren den stahlblauen Himmel über dem Titicaca-See. Am Horizont ist sogar eine Fata Morgana zu sehen. Am frühen Nachmittag erreichen wir Llachón, wo wir bereits erwartet werden. Wir werden unseren Gastfamilien zugeteilt, Gastmutter für uns ist Marina. Sie wohnt mit ihrem etwa zehnjährigen Sohn in einem kleinen Haus am oberen Rand des Dorfes. Als Marina sieht, dass wir Probleme mit der Höhenluft haben, greifen sie und ihr Sohn beherzt unsere beiden Reisetaschen und steigen zügig den Fußweg hinauf zu ihrem Haus.

Im Gemeindehaus des kleinen Dorfes warten bald ein schmackhaftes Essen und viel Coca-Tee auf uns. Am späten Nachmittag begeben wir uns zur Plaza von Llachón, wir haben nämlich das unerhörte Glück, dass genau in diesen Tagen das fünfundzwanzigjährige Bestehen der Gemeinde gefeiert wird. Und diese Feierlichkeiten richten die Menschen von Llachón für sich aus; dass wir Touristen daran teilnehmen dürfen, ist purer Zufall. So erleben wir unverfälschte Folklore: farbenfrohe Gewänder, schräge südamerikanische Musik, die reichlich dekorierten Honoratioren des Dorfes, biertrinkende Frauen, die von jedem Becher einen Schluck an Pachamama opfern, rauchende Grills mit diversen „Köstlichkeiten“. Ganz Llachón und Umgebung scheint auf den Beinen zu sein, und wir Gringos sind mittendrin.

Nach dem köstlichen Abendessen im Gemeindehaus hat Valentin seinen Auftritt. Valentin ist eine Art Dorfvorsteher von Llachón, ein einfacher Mann, aber eine charismatische Persönlichkeit. Mit ruhiger, klarer, fester Stimme und sehr sorgfältig gewählten Worten (zumindest hört sich sein Spanisch, das von Tine übersetzt wird, für uns so an) berichtet er uns über das Leben der Dorfbewohner. Llachón ist ein Zusammenschluss von mehreren Bauerngemeinden, die Menschen leben von Ackerbau und Viehzucht, und sie scheinen glücklich dabei zu sein.

Vor ein paar Jahren wurde ein Tourismusprojekt ins Leben gerufen: Touristen (so wie wir) übernachten in einfachen Unterkünften und können am traditionellen Dorfleben teilhaben. Das bedingt, dass die Gastgeber Einblick in ihre Privatsphäre gewähren. Nicht alle Dorfbewohner nehmen an dem Projekt teil, aber es wird von allen respektiert. Die Einnahmen kommen zu 100 Prozent dem Dorf zugute. Valentin erzählt uns auch von dem nicht immer einfachen Spagat zwischen traditioneller und moderner Lebensweise im heutigen Peru, von dem dennoch erfolgreichen Bemühen, den Verlockungen des Geldes nationaler und internationaler Investoren zu widerstehen. Während Valentin spricht, ist es mucksmäuschenstill im Raum, alle sind fasziniert und lauschen gebannt seinen Worten. Ich wage es nicht einmal, ein Foto zu machen.


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