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Tag 1: München - Reykjavík

Donnerstag, 25.Juni 2009

Wir sind auf dem Weg zur S-Bahn, die uns zum Flughafen München bringen wird. Es ist schwülwarm und gewittrig, wir kommen mit unseren schweren Rucksäcken das erste Mal ins Schwitzen. Auf dem Flughafen sind wir froh, sie erst einmal wieder loszuwerden.

Mit SAS geht es zunächst nach Kopenhagen, einen Direktflug hatten wir nicht mehr bekommen, obwohl wir schon frühzeitig gebucht hatten. Der Service bei SAS ist nicht gerade berauschend. Ich finde es zwar überflüssig, wenn auf jedem noch so kurzen Flug eine Mahlzeit gereicht wird, aber diesmal gibt es selbst ein Glas Wasser nur gegen Bezahlung. Und die fällt nicht zu knapp aus.

Deutschland liegt unter einer dichten Wolkendecke. Eine gute Stunde nach unserem Abflug landen wir in Dänemarks Metropole. Knapp zwei Stunden Aufenthalt, dann besteigen wir den Airbus von Icelandair. Wir sitzen bereits auf unseren Plätzen, als Micha aufgerufen und gebeten wird, das Flugzeug noch einmal zu verlassen. Gespannte Ruhe. Nach zehn Minuten kehrt er zurück, mit einem säuerlichen Grinsen im Gesicht. Die zwei Gaskartuschen, die er im Rucksack hatte, sind den wachsamen Augen der Gepäckkontrolle zum Opfer gefallen. Den in zwei Plastikflaschen abgefüllten, zur Aufbesserung unseres abendlichen Tees gedachten Stroh-Rum nahmen die Kontrolleure glücklicherweise nicht in Augenschein, sie gaben sich mit der Auskunft zufrieden, dass es sich um Wasser handle.

Wir hatten uns vor der Reise aus Gründen der bequemeren Handhabbarkeit für Gaskocher entschieden. Bisher war ich immer mit einem Benzinkocher unterwegs. Benzin ist überall zu bekommen und hat zudem einen höheren Brennwert als Gas. Der einzige Nachteil ist, dass man sich übelriechende Finger holen und auslaufendes Benzin im schlimmsten Fall einen ganzen Rucksack verderben kann. Dass man Gaskartuschen im Flieger nicht mitführen darf, steht zwar überall geschrieben, hatte mich aber bisher nie interessiert. Eine grobe Nachlässigkeit. Hoffentlich bekommen wir in Ísafjörður noch Ersatz, sonst ist unsere gesamte Tour in Gefahr.

Der Flug nach Reykjavík verläuft ruhig, hier gibt es zumindest (nichtalkoholische) Getränke ohne Aufpreis. Auch Island hüllt sich in Wolken. Gegen neun Uhr abends Ortszeit landen wir in Keflavík. 15 Grad, leichter Regen, so lautet die Vorankündigung des Flugkapitäns. Und mit Welcome to the moon begrüßt er uns auf Island. Unser Shuttle-Bus wird eine gute halbe Stunde bis zum Busterminal in Reykjavík brauchen. Durch das Fenster betrachten wir die zunächst wieder ungewohnte Landschaft. Die Erdoberfläche auf der Halbinsel Reykjanes sieht aus wie die Momentaufnahme eines brodelnden Lavasees. Bis zu zwei, drei Meter hoch aufgeworfene Blasen, immer wieder Risse, alles bewachsen von graugrünem Moos und Flechten. In Richtung Norden hat die Wolkendecke eine scharfe Grenze, dort scheint das Wetter besser zu sein. Über den Faxaflói hinweg grüßen die Berge von Snæfellsnes, deutlich ist der Gletscher des Snæfellsjökull zu erkennen.

Wir verlassen den Bus, es fällt leichter Sprühregen. Die tiefstehende Vormitternachtssonne taucht alles in ein warmes Licht. Perlan, die imposante Glaskuppel auf dem Hügel Öskjuhlið, schimmert bläulich. Von dort aus wird Reykjavík und das Umland mit Heißwasser aus mehreren Bohrlöchern versorgt. Die bekannte Hallgrimmskirche, das Wahrzeichen Reykjavíks, ist leider eingerüstet.

Zunächst fallen wir in ein für Island typisches Fast-Food-Restaurant ein, schließlich haben wir seit fast zwölf Stunden nichts mehr gegessen. Ursprünglich hatten wir vor, den nächstgelegenen Campground aufzusuchen, aber wir beschließen, dass es sich für die wenigen Stunden nicht lohnt, dort unser Zelt aufzuschlagen. Unser Anschlussflug nach Ísafjörður geht um sieben Uhr. So begeben wir uns, nachdem wir unseren Hunger gestillt haben, gleich zum nahegelegenen Inlandsflughafen, vielleicht ist er ja geöffnet.

Er ist es nicht. Wir fragen einen Flughafenangestellten, der Nachtdienst hat, ob wir unter dem Vordach des Gebäudes nächtigen können. Kein Problem, meint er. Die Iso-Matten und Schlafsäcke sind schnell ausgerollt, und nach kurzer Zeit steht unser provisorisches Nachtlager. Beim Auspacken seines Rucksacks wartet auf Ludwig die nächste böse Überraschung. Anstelle der Gaskartusche findet er einen Zettel mit dem Hinweis, dass selbige am Flughafen München entfernt wurde. Nun sind wir dringend auf Ersatz angewiesen.

Von unseren Schlafsäcken aus haben wir einen prächtigen Blick auf den von der Mitternachtssonne blutrot gefärbten Himmel. Die nächsten knapp zwei Wochen werden wir Tageslicht rund um die Uhr haben.

Später, wieder zurück in Deutschland, erfahre ich aus dem Internet, dass es wenige Stunden vor unserer Ankunft, gegen halb sechs, in Reykjavík ein Erdbeben der Stärke 4 gegeben hat. Wir bekommen davon nichts mit. Kleinere Beben sind auf Island so normal, wie bei uns ein Sommergewitter.


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